Auswirkungen freilaufender Hunde auf die Natur

Das Problem der freilaufenden Hunde hat zwei Seiten, bei denen recht unterschiedliche Tierarten betroffen sein können:

A) Beunruhigung durch Umherlaufen, Aufscheuchen und Vergrämen: der Regelfall, sobald ein Hund von der Leine gelassen wird. Hierbei gilt: je weiter sich der Hund entfernt, desto größer der Störfekt. Dabei ist zu beachten, dass die bloße Annäherung eines Hundes genügt, um beim Tier negative Reaktionen auszulösen. Dies gilt vor allem für fast alle in irgendeiner Form bodenbezogenen Arten, egal, ob sie dort nur ihre Nahrung suchen oder am Boden nisten oder ihre Ruhestätten haben. Anders als herumtobende Kinder, die mit viel Lärm kreuz und quer laufen und das Tier nur durch Zufall ansteuern und noch seltener auf ein Bodennest stoßen, sucht der Hund aufgrund seiner optischen Fähigkeiten, vor allem aber aufgrund seines exzellenten Geruchssinnes Einzeltiere, Tiergruppen und Tierstandorte ganz gezielt auf, sobald er sie sieht oder von ihnen „Wind bekommt“. Kinder erzeugen daher eine weit geringere Negativwirkung als freilaufende Hunde, werden von den Tieren als wesentlich weniger gefährlich eingestuft als Hunde.

B) Direkte Bedrohung von Tieren durch Erbeuten und anschließendes Fressen: der eher seltene Fall, weil die meisten Hunde gut erzogen sind und im Zweifel zurückgepfiffen werden.

Fall A): Beunruhigung Sobald sich ein Hund frei bewegt, wird er von den meisten Tierarten so etwa ab Lerchen- oder Drosselgröße aufgrund seiner Ähnlichkeit zu Fuchs und Wolf instinktiv als Feind registriert, auch wenn es sich um einen sehr gut erzogenen und an sich harmlosen Hund handelt, der niemals auf Beutefang gehen würde: dies können die Tiere nicht erkennen. Sie reagieren aufgrund ihrer angeborenen Instinkte auf das vermeintliche Raubtier und dessen unkalkulierbare raumgreifende Fortbewegung mit Angst und Flucht. Der Schaden eines solchen Vorganges besteht aus verschiedenen Wirkungen:

1. Unterbrechung der Nahrungsaufnahme Man könnte denken, das wäre ja nicht so schlimm, wenn ein Vogel mal beim Fressen gestört wird, indem er wegen eines Hundes auffliegen muss oder wenn ein Feldhase seine Sasse verlassen muss. Wenn man aber bedenkt, dass solche hundebedingten Störungen im Ballungsraum an vielen Tagen und  mit hoher Frequenz erfolgen, dann erkennt man, dass infolge zu geringer Zeitspannen für ungestörte Nahrungssuche ein gravierender Nahrungsmangel entstehen kann, auf welchen die betroffenen Tiere letztlich mit Abwanderung reagieren müssen. Betroffene Arten: in Wiesenbiotopen sind dies im Ruhrgebiet u. a. Feldlerche, Wiesenpieper, Kiebitz, Rebhuhn, überwinternde Gänse und Schwäne und unter den Säugetieren vor allem Feldhase und Reh.

2. Verringerung des Fortpflanzungserfolges: Dies ist die häufigste und gleichzeitig am wenigsten offensichtliche Folge der Störungswirkung durch freilaufende Hunde. Die meisten Bodenbrüter unter den Vögeln reagieren auf die Annäherung eines freilaufenden Hundes durch heimliches Verlassen des Nestes. Dies bleibt für Mensch und Hund unbemerkt. Panikartiges Auffliegen, welches der aufmerksame Beobachter vielleicht registrieren könnte, erfolgt nur in den wenigen Fällen, in denen der auf dem Nest sitzende Vogel den Hund zu spät bemerkt. Geschieht eine Störung am Nest mehrmals am Tag und gar mehrere Tage hintereinander, dann verlassen die Vogeleltern das Nest samt Eier oder Jungtieren. Ein Faktor in diesem Zusammenhang wirkt auf noch unscheinbarere Weise: im Frühjahr, wenn Bodenbrüter noch kein Nest haben, sondern erst mal einen Nistplatz auskundschaften, reichen schon einzelne Störungen aus, um das betreffende Areal als nicht bebrütbar erscheinen zu lassen, der Vogel wandert ab. Sinngemäß gilt dies auch für Feldhase und Reh. Diese Vorgänge verursachen großräumige Verringerungen der Populationsdichte vieler bodenbrütender Vogelarten aus Feld, Wald und Wiese bis hin zu ihrem gänzlichen lokalen Verschwinden. Betroffene Arten: nahezu alle Bodenbrüter wie Ammern, Pieper, Stelzen, Laubsänger, Schnepfenvögel.

3. Erhöhung des Energieverbrauches infolge von Ausweich- und Fluchtbewegungen: dieser Aspekt ist besonders im Winterhalbjahr und besonders bei großen Vögeln wie Gänsen oder Schwänen von daseinserhaltender Bedeutung. Für viele Überwinterer ist das Energiebudget sehr knapp. Erfolgen Störungen zu häufig, gelingt es den Tieren nicht, eine ausreichende Menge an Fettdepots anzulegen. Sie kommen dann nach ihrem langen Zugweg geschwächt in ihren Brutgebieten an und werden leichte Beute ihrer Feinde. Betroffene Arten: Wildgänse, Wildschwäne sowie Kiebitz und alle anderen Watvogelarten, die im Binnenland durchziehen.

Fall B): Direkte Bedrohung: Nester von Mäusen sowie von bodenbrütenden Vögeln werden, wenn sie vom freilaufenden Hund entdeckt werden, geplündert oder wegen zu großer mechanischer Veränderungen in der Nestumgebung anschließend von den Tiereltern verlassen. Dies machen allerdings nicht alle Hunde. Genaue Zahlen gibt es hierfür noch nicht, aber man kann davon ausgehen, dass Bodennester und bodennahe Nester vor allem von Mäuseartigen, darunter auch von geschützten Arten wie der Zwergmaus, durch den unmittelbaren Zugriff vonseiten der Hunde verloren gehen. Im Falle der Zwergmaus, die auch in Flussniederungen, also in Bereichen mit hohem Publikumsverkehr, vorkommt, sind entsprechende Verluste vorprogrammiert. Aber auch die „normalen“, also nicht geschützten Mäusearten haben aus ökologischer Sicht insofern eine hohe Bedeutung, als sie eine Hauptsäule für die Ernährung vieler auch geschützter Arten bilden.

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4 Gedanken zu „Auswirkungen freilaufender Hunde auf die Natur

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  4. Sehr verständlicher Artikel.Ich bin hier in Oberbayern, auch beim BN ,aber die Hundeproblematik wird nicht entsprechend behandelt.Selbst Hunde an der
    langen Leine sind ein großes Problem für Bodenbrüter,gerade in ländlichen Gemeinden außerhalb der Ortschaften .
    MFG
    ChDorn
    84431 Heldenstein

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